Kritik April 2005

Oltner Tagblatt / MLZ; 2005-04-05

Werke einheimischer Komponisten
Trimbach Abendmusik der Neuen Solothurner Vokalisten stiess auf Begeisterung

Spirituelle Romantik Die Sängerinnen und Sänger erbrachten eine einheitliche und harmonische Leistung. bruno kissling

karin schmid

Kein Willkommensgruss, keine Ansprache - ohne gesprochene Worte lief das Konzert der Neuen Solothurner Vokalisten am Samstagabend in der Trimbacher Mauritiuskirche ab. Einleitungen oder Erklärungen waren vor und während der Musikaufführung auch gar keine nötig. Die einheitliche, harmonische und schlichtweg starke Leistung der Sängerinnen und Sänger sowie des Organisten sprach eine deutliche Sprache. Den Anfang machte das spannungsgeladene «Recordare virgo», ein A-capella-Stück für gemischte Stimmen, komponiert von Martin Oetterli (*1939). Das langjährige Mitglied der Solothurner Vokalisten ist der Vater von Chorleiter Patrick Oetterli und hat nur wenige Werke komponiert.

Mit «Präludium und Fuge in D-Dur» des Biberister Musikers, Dirigenten und Komponisten Richard Flury (1896 bis 1967) begann Organist Bruno Eberhard seinen Auftritt. Eberhard wirkt seit 1969 als Domorganist an der St.-Ursen-Kathedrale in Solothurn und ist seit 1988 musikalischer Leiter der von ihm initiierten Sommer-Konzertreihe «Orgelmusik in der St.-Ursen-Kathedrale Solothurn». Als gesanglich nicht ganz einfach umzusetzende Werke entpuppten sich die drei «Ave Maria» von Markus Dicht (*1949) für vier Frauen- und vier gemischte Stimmen. Der Chor meisterte die Herausforderung jedoch zur eindeutigen Zufriedenheit des in Trimbach anwesenden Komponisten.

Machtvolle Klangfülle

Nach dem von Bruno Eberhard überleitend vorgetragenen Duetts, dem lebendigen «Alla Marcia» und dem sanften Menuett Opus 28 von Casimir Meister (1869 bis 1941) folgten drei Motetten des in Matzendorf geborenen Komponisten. Während bei den beiden «Salve Regina» für vier und fünf Stimmen die ganze machtvolle Klangfülle des Chors zum Tragen kam, gestaltete sich Meisters «Ave Maria» ruhig - bis zu seinem spannungsgeladenen Ende.

Für den Solothurner Komponisten und Chorleiter Albert Jenny (1912 bis 1992) begaben sich die bisher beim Altar positionierten Vokalisten auf die Empore zu Bruno Eberhard. Nach dessen Choralvorspiel «Tollite portas» trugen Chor und Organist zum ersten Mal ein Stück gemeinsam vor: das Seele lobpreisende «Lauda anima mea», bei dem sich ein weiteres Oetterli-Familienmitglied, Therese Lehmann (Trimbach), hervor tat. Die Gattin von Patrick Oetterli glänzte mit ihrem klaren, starken Sopran bei mehreren Stücken als Solistin. So zum Beispiel bei zwei der drei wunderschönen «Ave Maria»-Varianten des Eppenberger Romantik-Komponisten Hans Huber (1852 bis 1921). Im wahrsten Sinne des Wortes langsam beginnend, aber feurig endend (Allegro con Fuoco), spielte Bruno Eberhard Hubers Opus 3. Zum Abschluss sangen die 25 Solothurner Vokalisten das intensive «Ave Maria» des Solothurner Musikers und Pädagogen Alban Roetschi (*1922).

Neu belebt und beliebt

Roetschi hatte 1961 die ursprünglichen Solothurner Vokalisten gemeinsam mit der Gesangpädagogin Hedwig Vonlanthen gegründet. Der aus Gesangschülern bestehende Chor brachte anspruchsvolle Werke der Renaissance, des Frühbarocks, Barocks, der Klassik, Romantik und der Moderne zur Aufführung, bis er sich 1992, nach jahrzehntelanger, reger Konzerttätigkeit und inzwischen in die Jahre gekommen, auflöste.

Anlässlich einer Konzertreihe zum 80. Geburtstag von Alban Roetschi formierten sich die Neuen Solothurner Vokalisten 2001 unter der Leitung von Patrick Oetterli neu. Dank dem in Solothurn geborenen und in Trimbach wohnhaften Gesanglehrer, Dirigen ten und Konzertmanager wieder zum Leben erweckt, erfreut sich der Chor einer neuen Beliebtheit, wie die Reaktion des rund 40-köpfigen Trimbacher Publikums am Samstag bewies. Erst blieb es am Ende des letzten Stücks mucksmäuschenstill, in der Hoffnung, es folgen noch weitere Werke, doch dann wollte der rauschende Applaus in der Mauritiuskirche kaum enden.

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Kritik November 2005

Solothurner Zeitung / MLZ; 2005-11-29

Lauter klingende Höhepunkte
Jesuitenkirche Uraufführung des Solothurner Kammerorchesters von Flury

Vermutlich mit einem der glanzvollsten Konzerte der letzten Jahre beschenkte das Solothurner Kammerorchester sein Publikum in der Jesuitenkirche. Zur Uraufführung gelangte die Tondichtung von Urs Joseph Flurys «Hirten sind und Engel nah» nach Texten der Solothurnerin Olga Brand.

Gundi Klemm

Urs Joseph Flury kannte die Dichterin, Journalistin und Lehrerin Olga Brand seit Kindertagen. Ihre Poesie habe ihn immer sehr bewegt, betont der langjährige musikalische Leiter des Solothurner Kammerorchesters (SKO). Deshalb entschloss er sich, als Beitrag zum hundertsten Geburtstag der Lyrikerin eine Weihnachts-Kantate zu komponieren. Die Uraufführung fand am letzten Sonntagnachmittag im Rahmen des SKO-Adventskonzertes in der Jesuitenkirche statt. Etliche der älteren anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörer betteten so ihre Erinnerungen an Olga Brand mit Freude in die Tondichtung von Urs Joseph Flury ein.

Alle Übrigen im Publikum - ohne nähere Beziehung zur Dichterin - waren begeistert vom Zusammenklang von Wort und Musik. Denn Flury, der dieses Werk romantisch-impressionistisch vertonte, erwies sich erneut als aussagekräftiger Illustrator, der die vielen beseelten Textstellen beispielsweise wie «...flicht der Advent den Lichterkranz» mit feinem Gespür musikalisch einkleidete und interpretierte. Ausserordentlich gefällig erwies sich der harmonisch-rhythmische Zauber dieser Komposition.

Ein elfteiliges Werk

Im naturalistisch malenden Vorspiel, das wie eine Ouvertüre bereits in Stimmung und Themen einführt, entsteht vor dem inneren Auge eine Winterlandschaft mit Schlitten, Pferdegetrappel und dem fröhlichen Geklingel von Glöckchen. Danach folgen - betitelt mit Advent, Winterwende, Weihnachtsgesang, Heilige Nacht, Stille und Neujahr - sechs Chorbeiträge mit eindrücklichen Effekten in Begleitung und Liedgestaltung. Eingeschoben sind drei Solo-Sopranlieder, die Winterabend, Wintertraum und Weihnachtslied benannt sind.

Damit die Solothurner Zahl 11 erreicht ist, erweiterte Komponist Flury die Kantate um eine nur orchestral aufgeführte Pastorale, deren Flötenklänge «...bevor ein neues Jahr erblüht» nochmals an die biblischen Hirten auf dem Felde denken lässt. Komponist Flury agierte bei dieser Uraufführung als Dirigent seines Stammorchesters, das er in sämtlichen Registern klangprächtig ausgestattet hatte. Dennoch blieben die Instrumente immer nur Mittel zum Zweck: Die Musik diente dazu, das Wesen dieser Dichtung programmatisch auszuleuchten. Das SKO legte dabei eine brillante Leistung vor. Den vierstimmigen Gesangspart hatte Flury dem Chor «Neue Solothurner Vokalisten » unter der Leitung von Patrick Oetterli anvertraut, die mit ihrem fein abgewogenen Chorklang das Konzert farbkräftig bereicherten. Nur kurzfristig im ersten Chorlied «Advent» schien das Orchester das im hinteren Altarraum positionierte Gesangsensemble akustisch zu dominieren. Später gelang eine feine Ausbalancierung. Den Hörgenuss vervollständigte die Mitwirkung von Sopranistin Mireille Newson, die dem Werk weitere glanzvolle Akzente verlieh. Ihre biegsame und dynamische Stimme hatte das Publikum schon zuvor im Lobgesang «Laudate Dominum» von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) förmlich «aufgesogen». Unter der Leitung von Patrick Oetterli hatte die « Vokalisten »-Gruppe mitsamt Orchesterbegleitung und Solistin das Konzertspektrum dieses ersten Advents festlich erweitert.

Zweiter Höhepunkt

Noch vom letzten Weihnachtskonzert sind die 2004 entstandenen Variationen über «Es ist ein Ros entsprungen» im Publikum unvergessen. Der Virtuose Alexandre Dubach bezauberte nun in der erneuten Aufführung dieses Violin-Rezitals als begnadeter Könner à la Paganini, dem insbesondere die SKO-Mitglieder mit staunender Bewunderung zusahen. Urs Joseph Flury hatte diese reizvolle Komposition für Dubach und seine spieltechnischen Fähigkeiten an Doppelgriffen, Flageolett und Pizzicati geschrieben.

Erwähnenswert bleibt auch die erstgespielte Suite «Noël pour les Instruments» von Marc-Antoine Charpentier (1643-1707), die nahezu die Qualität einer Tonträgereinspielung aufwies. Mit der für ihn typischen Bescheidenheit nahm Urs Joseph Flury den reichen Beifall entgegen.

 

 

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